Die Hitze im Club ist hochsommerlich schwül. Die Nachtgestalten reiben ihre schwitzen Körper auf der Tanzfläche aneinander. Ein Blick trifft auf einen anderen. Fremde nähern sich zögerlich an und lassen dann wieder ab von einander. Sie treffen sich wieder an der Bar. Es folgen Gespräche, die eigentlich Schreie in das Ohr des anderen sind, leichte Berührungen und ihr langes, blondes Haar bleibt an seinem Gesicht kleben. Mit den ersten Sonnenstrahlen verschwinden die meisten Nachtgestalten aus dem Club – bis auf die beiden und noch wenige andere, die müde in den Ecken abhängen. Erkundungen mit Lippen, Händen und Zunge. Später auf einer Bank am Ufer des Flusses fragt sie ihn, ob er in der anderen Stadt Frau und Kinder hätte. Er sagt nein und denkt: warum stellt sie diese Frage? Sie ruft ein Taxi und schleppt ihn mit zu sich nach Haus. Es gibt keine Versprechungen, keine Schwüre. Wozu auch, sie kennen sich nicht und werden sich nicht wiedersehen.
Jetzt suche ich nach der Nadel, mit welcher ich in die aufgeblähte Blase Deutschland stechen kann, damit die entweichende Luft die Orte näher zusammenrücken lässt. Ich finde sie gerade nicht. Also sitze ich auf dem Mond, lasse ich meine Beine baumeln, schaue auf die Erde und denke: Aus dieser Perspektive ist die Entfernung nun nicht wirklich groß.
Nicht das die geneigte Leserschaft denkt, der Herr Böla lebt nicht mehr, weil er die letzte Zeit seinen Blog mehr als sträflich vernachlässigt hat. Andere vermuten das Leben des Herrn Böla wäre in der letzten Zeit ereignislos geworden. Nun, dem ist nicht so. Allerdings stellte Herr Böla in den letzten Tagen doch erhebliche Verschleißerscheinungen bei sich fest. So schlief er in den letzten Tagen vor dem Fernseher ein, oder war nicht mal mehr in der Lage während der Rückfahrt von der Arbeit in seinem Buch zu schmökern. Kurz und gut, das momentane Leben des Herrn Böla kann, frei nach Blumfeld, so beschrieben werden: Aufstehen, Anziehen, lange Arbeiten, nach Hause kommen, vor den Fernseher einschlafen. Peinlich, aber wahr.
Selbstverständlich ist dies kein befriedigender Zustand. Zumal der Arbeitsalltag, mit seiner Mischung aus operativem Geschäft, Projektarbeit und den vielen Sonderaufgaben, die Belastbarkeit des Herrn Böla mächtig strapaziert. Zu allem Übel ist er gerade dabei, langsam schlechte Laune zu bekommen und keine Geduld mehr zu haben.
Anderen scheint es noch viel schlimmer zu gehen. Vorhin verärgerte Herr Böla eine Kollegin mit der simplen Frage, wieso sie sich erst jetzt mit der Thematik beschäftigt und warum Sie nicht erstmal den beschrieben Workflow durchliest, dermaßen, dass sie einen bühnenreifen Auftritt im Büro hinlegte – einen ca. zweiminütiger Beschimpfungskanon gefolgt von einem Türenknallen. Was war das denn, fragte sich der Herr Böla und schaute seine „Gegenüberin“ an. Diese hatte auch keine Antwort für ihn.
Ist ja wie früher im Kindergarten, wenn der Herr Böla nicht nach den Spielregeln der anderen spielen wollte, diese daraufhin beleidigt waren und für die nächste Zeit nicht mehr mit ihm redeten.
Gestern Nacht nach dem Biergarten bekam ich zum ersten Mal in diesem Jahr eine Idee von den lauen Sommernächten. Gute Laune pur. Ich radelte durch die Stadt und hörte Poney Express. Eine Band aus Frankreich, von der Max Spallek zwar behauptet, dass ihr Album leicht seicht gespült wäre, die aber gut in diese Nacht passte. Ich habe keine Ahnung, worüber sie singen, weil ich kein einziges Wort verstehe, trotzdem schön. Zur Einstimmung auf das Wochenende:
Was mussten meine Augen auf dem Heimweg erblicken. Kaum kratzt das Thermometer die 20-Grad-Marke, machen sie sich, wie jedes Jahr, in den Parks breit – die Berliner Nackedeis. Vor lauter Schreck hätte ich beinahe die Oma umgefahren, so verstört war ich – nicht wegen des Anblickes, sondern weil ich dachte, dies geben die Temperaturen nun wirklich noch nicht her. Obwohl, ich muss schon zugeben, die Sonne fühlte sich super an.
Neulich morgens in der S-Bahn traf mein Blick auf ein Mädchen, mit braunen, gewellten Haaren, die ihr ständig in das Gesicht fielen, und auf dem der Schleier einer erfolgreichen Nacht lag. Sie zog ihr Handy aus der Tasche, lass eine SMS und beantwortete diese mit einem breiten Grinsen. Kaum war das Handy verstaut, musste es bereits wieder rausgekramt werden, weil eine neue SMS eingetroffen war. Dieses Spiel wiederholte sich in einer Endlosschleife. Ich hatte den Eindruck, mit jeder SMS wird ihr Lächeln länger und intensiver. Wir stiegen an der gleichen Station aus. Während ich ihr noch kurz nachschaute, freute ich mich über den Frühling und für sie.